Normalerweise schützt uns das körpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) vor Eindringlingen wie Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilzen. Die Verteidigung wird durch spezialisierte Immunzellen, die so genannten T-Zellen, koordiniert. Entdecken die T-Zellen fremde Keime, schicken sie ihren Sturmtrupp los: weisse Blutkörperchen und Makrophagen (Fresszellen), welche die Schädlinge bekämpfen sollen. Es entsteht eine örtliche Entzündung an der Stelle des Abwehrkampfes. Normalerweise wird die Durchblutung gesteigert und es befinden sich sehr viele Immunzellen am Entzündungsort.
Bei Multiple Sklerose (MS) «erkennt» der Körper aus einem noch unbekannten Grund das Myelin rund um die Nerven als «fremd», was zu einer Entzündung entlang der betroffenen Nerven führt
Fehlgeleitete Abwehr
Bei Autoimmunkrankheiten (auto = selbst) sind die T-Zellen fehlgeleitet. Sie erkennen körpereigene Zellen als «fremd» und hetzen die Abwehrzellen auf die eigenen Zellen. Das geschieht vermutlich auch bei der Multiple Sklerose (MS), weshalb man sie zu den Autoimmunkrankheiten zählt.
Bei MS (Multiple Sklerose) greifen die Immunzellen die Myelinschichten an. Diese entzündliche Reaktion schädigt nicht nur das Myelin, sondern auch die Oligodendrozyten (Zellen, welche die Myelinschicht der Axone im ZNS produzieren). Diese für Multiple Sklerose (MS) typischen entzündlichen Stellen können mittels MRI-(Magnetresonanz-)Bildern im Gehirn sichtbar gemacht werden. Wenn das Myelin durch Makrophagen gefressen wird, bleiben die Nervenaxone nackt zurück. Nackte, also demyelinisierte Axone können die elektrischen Impulse nicht mehr wirksam weiterleiten. Die Impulsübertragung verlangsamt sich oder fällt sogar ganz aus, weil die Impulse nicht mehr von Knoten zu Knoten springen können.
Typische MS-Anfangssymptome: - Sehstörungen (Doppelbilder, verschwommenes Sehen usw.) - Sensibilitätsstörungen (Gefühl wie Watte in den Beinen; Schwierigkeiten, kleine Gegenstände zu greifen) - Muskelkraftminderung (müde Beine oder Arme) - Koordinationsstörungen (Zittern, unsicherer Gang)
Reparatur möglich
Wenn die Entzündung nachlässt, treten Reparaturmechanismen in Aktion, die manchmal sogar eine Remyelinisierung (Wiederherstellung des zuvor zerstörten Myelins) zustande bringen. Die Impulsübertragung läuft wieder weitgehend korrekt ab und die vorübergehend ausgefallene Funktion wird zum grössten Teil wiederhergestellt.
Dieser Zyklus von Zerstörung (Demyelinisierung) und Wiederherstellung (Remyelinisierung) in der weissen Substanz des ZNS wiederholt sich ständig. Schliesst die Entzündung ein grösseres Gebiet ein, bleiben Narben (Plaques) zurück. Tritt eine Entzündung immer wieder am gleichen Ort auf, kommen die Reparaturmechanismen nicht mehr nach mit ihrer Aufbauarbeit, der betreffende Nerv wird dauerhaft geschädigt. Welche Störungen auftreten, hängt davon ab, welche Gehirnoder Rückenmarksareale von Läsionen betroffen sind.
Nach 25 Krankheitsjahren kommen die meisten MS-Betroffenen noch immer ohne Rollstuhl aus.